Den Namen Niebuhr nimmt man aktuell meistens in Verbindung mit Johanna Niebuhr wahr. Die 14jährige Gerätturnerin des TSV Arminia Vöhrum hatte sich in den Landeskader zurückgekämpft und verletzte sich erneut kurz vor der DJM-Qualifikation.
Aber hinter dem Namen Niebuhr steht vor allem ihr Vater Jörg-Otto Niebuhr. Er sorgte in den 80ern Jahren als einer der besten Gerätturner Deutschlands für Schlagzeilen. Der größte Erfolg des Allrounders war die Bronzemedaille bei den Deutschen Meisterschaften 1988 an den Ringen. Die Qualifikation zur Heim-WM 1989 in Stuttgart verpasste er nur knapp. Trotz seiner erfolgreichen Turnkarriere stand er seit seiner Jugend als Trainer in der Sporthalle, erst für den TSV Arminia Vöhrum dann je nachdem wo sein Lebensweg ihn hinführte – Frankfurt, Bochum… „Durch den Sport ist man in einer neuen Stadt nicht lange alleine. Überall gibt es eine Turnhalle und Trainer sind quasi immer gesucht,“ ein Lebensmotto des Peiners.
Und Leute traf er viele im Sport, wie zum Beispiel in seiner Bundesligazeit mit Bremen 1860. Hier trainierte der Turner mit dem später als Schauspieler bekannt gewordenen Heino Ferch.
Nach seiner aktiven Karriere wechselte Niebuhr übergangslos auf die andere Seite, hinter den Kampfrichtertisch. Aus dem Spitzensport konnte er schnell in die oberste deutsche Lizenzstufe einsteigen und bald auch das internationale Brevet ablegen. So reiste er als einer von vier deutschen Kampfrichter*innen zur diesjährigen Europameisterschaft nach Basel.
Von seiner hervorragenden Vernetzung profitiert derzeit auch der Niedersächsische Turnerbund (NTB). So initiierte er 2014 den internationalen ZAG-Junioren-Cup, der jedes Jahr in Hannover ausgetragen wird. Auch ein Junioren-Bundesligateam hat er verbandsübergreifend auf die Beine gestellt. Letztendlich kümmert sich Niebuhr im NTB noch als Öffentlichkeitsbeauftragter für das Gerätturnen männlich um die Außenwirkung.
Warum steht man bei so viel Verantwortung noch in der Peiner Luhberghalle und trainiert die Kürturnerinnen der TG Stederdorf/Vöhrum? „Weil es Spaß macht,“ die klare Antwort des beliebten Trainers, „und man kann sich auch selbst ein bisschen fit halten.“
Im Übrigen – leben kann man von dem ganzen Engagement nicht – alles Ehrenamt und ein bisschen Aufwandsentschädigung. Einhellige Meinung von Niebuhr und seiner Frau Sabrina Klaesberg: „Ein bisschen verrückt muss man schon sein.“
Und da nehmen sich die beiden nichts. Wo er als Sportler seine Karriere bis zum Nationalkader mit internationalen Einsätzen vorantrieb, musste Sabrina Klaesberg ihre Spitzensportkarriere schon in jungen Jahren aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Dafür begann sie ihre erste Kampfrichterausbildung mit 15 Jahren und arbeitete sich wie viele von einer Gau-bzw. Bezirkslizenz hoch, nach 8 Jahren hatte sie die Bundeslizenz. Ihr Jurastudium finanzierte sie sich mit Trainerstunden. „Meine Mutter war damals internationale Kampfrichterin, da war mein Weg ein wenig geebnet,“ berichtet Klaesberg, die heute oberste deutsche Kampfrichterin im Gerätturnen weiblich ist. Und so machte sie auch ihren Weg. Nach dem internationalen Brevet folgten Jugendländerkämpfe, Weltcups, Europa- und Weltmeisterschaften. Parallel war die Juristin viele Jahre für die Fédération Internationale de Gymnastique (FIG) im internationalen Berufungsgericht tätig. Im Europäischen Verband (UEG) gehört sie dem technischen Komitee an. In dieser Funktion war sie auch bei der EM in Basel.
Johannas Eltern unterstützen nicht nur ihre Tochter wo sie können, sondern geben ihr Wissen auch im Rahmen von Aus- und Weiterbildung im Deutschen Turnerbund (DTB) weiter. Das bescherte Beiden einen seltenen gemeinsamen Termin in Südafrika zur Unterstützung der Afrikanischen Meisterschaften.
Ihre Kampfrichterkarriere krönte Klaesberg bereits 2012: „Olympia ist nicht nur für Sportler das höchste Ziel, auch für uns Kampfrichter ist es ein Traum.“ Doch der Traum und der Weg dorthin besteht aus sehr viel harter Arbeit. „Man steht bei allen internationalen Wettkämpfen extrem unter Druck, denn jede einzelne Wertung, fließt in ein Ranking der Kampfrichter.“ Beim Gerätturnen kann die Leistung eben nicht mit Stoppuhr oder Maßband bewertet werden, dafür gibt es seit einigen Jahren einen Kontrollmechanismus, um die Objektivität der Wertungen zu wahren. Das hat zur Folge, dass Kampfrichter*innen nur einen internationalen Folgeeinsatz erhalten, wenn sie mit ihren Wertungen nicht unter oder über dem Schnitt liegen.
„Bei olympischen Spielen kommen noch Millionen Zuschauer und Fans dazu, die einem quasi auf die Finger schauen,“ erzählt Sabrina Klaesberg über die emotionalen Momente, „der größte Druck lastet beim Werten der eigenen Turnerinnen auf einem. Eine einwandfreie Wertung für die FIG und dennoch soll auch der eigene Verband damit zufrieden sein.“ Aber außerhalb des Wettkampfes können auch die Kampfrichte*innen den olympischen Spirit genießen. Nach 2012 und 2016 steht für die deutsche Kampfrichterchefin nun zum dritten Mal Olympia an. Aber wenn es tatsächlich stattfindet, dann wird diesmal alles anders: „Man muss schon ganz schön bekloppt sein, 3 Wochen Urlaub nehmen um sich in Tokio in Hotel-Quarantäne zu begeben,“ so bringt es Klaesberg auf den Punkt.
Fazit: als Kampfrichter*in ist man an der Faszination Gerätturnen extrem dicht dran. Und spätestens mit internationalen Einsätzen hat man Freunde und Gleichgesinnte auf der ganzen Welt.